Eine kurze Häusernummerierungsgeschichte
Nicht immer waren die Straßennummerierungen in Wien so logisch wie heute: Die geraden Nummern auf der einen, die ungeraden Nummern auf der anderen Straßenseite, von der Innenstadt nach außen und vom niedrigeren zum höheren Bezirk aufsteigend – das ist ein Nummerierungskonzept, das erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts umgesetzt wird. Noch jünger ist die Geschichte der Wien-weit bekannten blauen Hausnummerntafeln. Es gibt sie erst seit 1958 und sie passen in ihrer Gestaltung zu den ab 1923 angebrachten blauen Straßenschildern aus Emaille.
„Zum sprechenden Schildnamen“
Doch bevor es die heutige Straßennummerierung oder Konskriptionsnummern gab, waren viele Häuser in Wien nur unter einem Beinamen bekannt. „Zur grünen Weintraube“, „Zu den drei Bauern“ oder „Zu den neun Churfürsten“ sind nur drei, der sogenannten Schildnamen, die in der Neubaugasse zu finden waren.
„Für die Wahl der Hausnamen gibt es verschiedene Bezugspunkte: sprechende Namen, Vornamen oder Berufe des Besitzers, Lage, Vorgängerbauten oder Vorbesitzer, am Haus oder an der Gegend haftende Sagen und so weiter. Gerne wurden auch Tiere, Heilige, Bibelstellen und Gleichnisse sowie (vor allem im 19. Jahrhundert) aktuelle Ereignisse verwendet.“
(Quelle: Geschichte Wiki Wien)
Nachschlagewerk: Das Wiener Schilderregister
Ein umfangreiches Verzeichnis gibt es online im Wiener Schilderregister und da sieht man auch gleich ganz gut, wo die Herausforderung lag – über achtzig Häuser mit dem Beinamen „Adler“ – ob blau, braun, grün oder gold. Es brauchte also immer zusätzliche Angaben, um auch wirklich an der gewünschten Destination anzukommen.
Schildnamen in der Neubaugasse im Hier und Heute
Heute sind diese Schildnamen ein in Wien fast vergessenes Relikt der Vergangenheit. Wir haben uns einige Häusernamen in der Neubaugasse angesehen, die immer noch von Beinamen begleitet werden.

Das Haus in der Neubaugasse 7 ist auch unter dem Schildnamen „Zu den drei Bauern“ bekannt. Hier lebte Anfang des 18. Jahrhunderts der österreichische Maler Felix Ivo Leicher, der das Webschiffchen seines Lernberufs gegen den Pinsel tauschte und Altarbilder für Wiener Kirchen malte. Eines davon befindet sich in unserem Nachbarbezirk. Das Bildnis der Heiligen Familie im Seitenaltar der Piaristenkirche stammt von Felix Ivo Leicher. (Quelle: Wikipedia)
Heute befinden sich hier die Tanzschule Kopetzky, das Modelabel maronski, der Telekommunikationsanbieter conntect7.at, das Fotogeschäft Bildermacher und die Fleischerei Radatz.

Das Haus in der Neubaugasse 8 ist auch unter dem Schildnamen „Zu den drei goldenen Hufeisen“ bekannt. Zumindest wenn man dem Wien Geschichte Wiki glaubt (was ich in der Regel tue). Die Quelle gibt auch an, dass es sich um das Geburtshaus des Bildhauers Franz Steinfeld handelt. Andere Quellen schreiben allerdings, dass selbiger im Haus „Zum braunen Adler“ geboren wurde, das sich in der Lindengasse 11 befand. So oder so handelt es sich bei dem heute hier – in der Neubaugasse 8 – stehenden Haus um ein Wohn- und Geschäftshaus, das 1911 von Leopold Fuchs geplant wurde. (Was den Umkehrschluss zulässt, dass es nicht das Geburtshaus des 1787 geborenen Steinfeld sein kann.) Imposant sind besonders die Pfeiler, an deren Ende im Dachgeschoß Figuren in Nischen die Fassade zieren. Mehr zur Arbeit von Leopold Fuchs kann man im Architektenlexikon nachlesen.
Heute befindet sich hier im Erdgeschoss das Kindermodengeschäft name it.

Das Haus in der Neubaugasse 16 wurde im Jahr 1820 erbaut und ist unter dem Beinamen „Zu den neun Churfürsten“ bekannt. Der Grund der Namensgebung liegt hier auch heute noch auf der Hand: Die Fassade des zweistöckigen Hauses wird in der Mitte von einer kleinen Reiterskulptur geziert. Rechts und links davon sind jeweils vier Reiterreliefs zu sehen.
Heute befinden sich in dem zweihundert Jahre alten erbauten Gebäude das Mineralien Atelier sowie Juwelier & Goldschmied Haas.

Das Haus in der Neubaugasse 24 ist unter dem Schildnamen „Zur grünen Weintraube“ bekannt.
Hier befindet sich heute Kerkoc – das Fachgeschäft für technische Orthopädie, Rehabilitationstechnik und orthopädisches Schuhhandwerk.

Das Haus in der Neubaugasse 54 ist unter dem Schildnamen „Zur Dreifaltigkeit“ bekannt. Hier befand sich eine der „Kaiserin-Elisabeth-Krippen“, die der Nationalökonom und Gemeinderat Karl Helm Mitte des 19. Jahrhunderts einrichten ließ. Aus Felix Czeikes Historischem Lexikon (Band 3) geht hervor, dass Karl Helm der Begründer des „Vereins zur Errichtung von Kinderkrippen“ war. Nach ihm ist auch die Helmgasse im 12. Bezirk benannt.
Hier befindet sich heute Bootik54.

Das Haus in der Neubaugasse 68 ist unter dem Schildnamen „Zum grünen Berg“ bekannt. Zwischen 1914 und 1922 flimmerten hier Filme über die Leinwand des Neubauer Bürgerkinos.

Offiziell gehört es nicht in die Neubaugasse: Der Hauseingang „Zu den zwei Rittern“ befindet sich nämlich in der Burggasse 52-54. Doch da das genau an der Ecke Neubaugasse/Burggasse ist, nehmen wir das Haus, dessen Schildname und Skulptur sehr gut sichtbar sind, einfach in unseren Spaziergang hinein.
Viel Freude beim Flanieren!
Weiterführende Links
Architektenlexikon: Leopold Fuchs (zuletzt abgerufen am 23.06.2021)
im7ten: maronski macht Verantwortung tragbar (zuletzt abgerufen am 24.06.2021)
Stadt Wien: Geschichte der Straßennamen in Wien (zuletzt abgerufen am 22.06.2021)
Wienbibliothek im Rathaus. Historisches Lexikon Wien: in 6 Bänden/Felix Czeike. Wien : Kremayr & Scheriau/Orac. (zuletzt abgerufen am 24.06.2021)
Wien Geschichte Wiki: Hausschilder (zuletzt abgerufen am 22.06.2021)
Wien Geschichte Wiki: Neubauer Bürgerkino (zuletzt abgerufen am 24.06.2021)
Wien Geschichte Wiki: Neubaugasse (zuletzt abgerufen am 22.06.2021)
Wikipedia. Die freie Enzykolpädie: Felix Ivo Leicher (zuletzt abgerufen am 22.06.2021)
Text & Fotos: Veronika Fischer